Der Erdfallsee
Der Geologe TIETZE (1913) berichtet: „Am 14. April 1913, zwischen 6.00 und 7.00 Uhr nachmittags, brach wenige hundert Meter westlich der Wirtschaft zum ,Heiligen Meer‘ an der Chaussee von Ibbenbüren nach Hopsten der Boden der Heide auf einer etwa kreisförmigen Fläche von etwas über 100 Meter Durchmesser ein, und zwar derartig, dass eine oben fast zylindrische, unten mehr konisch-trichterförmige Einsenkung von über zehn Meter Tiefe entstand, die zunächst fast vollkommen trocken war und auf deren Grund die Birken und Kusselkiefern, mit denen die Heide in jener Gegend dürftig bestanden ist, aufrecht in die Höhe ragten. Um 6.00 Uhr war ein Bewohner jener Gegend noch über die Stelle gegangen, ohne dass ihm etwas aufgefallen wäre. Und um 7.00 Uhr trat an mehreren Punkten der Erdoberfläche in der Nähe des Erdfalls Wasser aus, eine Erscheinung, die bald wieder verschwand, aus der man aber, da sie bei der hohen Elastizität des Wassers unmittelbar auf den Einbruch der Erdmassen gefolgt sein muss, den Schluss ziehen kann, dass ein längerer Zeitraum kaum zwischen den beiden Ereignissen verstrichen sein dürfte. Von einem Geräusch oder einer besonders fühlbaren Erschütterung, die den Vorgang begleitet hätten, ist offenbar nichts bemerkt worden. Wenigstens ist den in der Nähe des Erdfalls angesessenen Bewohnern des Wirtshauses nichts aufgefallen.“
Der Münsteraner Geologe WEGNER (1913), der zwei Tage nach dem Einbruch das Gebiet besuchte, ergänzt diese Angaben: „Gegen 7.00 Uhr nachmittags trat Wasser östlich von dem Hause des Akerers H. Moos an zahlreichen Stellen aus dem Boden; das gleiche geschah zur selben Zeit in der nächsten Umgebung des Gehöftes Wulf und südlich von Hespeling. In den Brunnen der drei Gehöfte soll zusammen damit der Wasserspiegel gestiegen und in einem Fall das Wasser auch mit Schaum bedeckt gewesen sein. Ein Knabe, der sich mit einem Kahne auf dem Kleinen Heiligen Meer befand, beobachtete das Aufwallen des Wassers in diesem See um die gleiche Stunde.“
Zunächst war die Einbruchstelle trocken, füllte sich aber schnell mit Wasser. Dies geschah sowohl durch Oberflächenwasser, besonders aber durch einsickerndes Grundwasser. Durch Abrutschen der zunächst steilen Uferwände und durch fortgesetzte Erosion durch Wellenschlag entstand die heutige Gewässergestalt.
Der Erdfallsee im Jahr 1913. Foto: Archiv im LWL-Museum für Naturkunde, Münster
Dieses Ereignis war eine gute Ausgangsposition, um auch die Entstehung des Großen Heiligen Meeres zu analysieren. Durch geomorphologische Untersuchungen konnte LOTZE (1956) die große Ähnlichkeit in der Gestalt zwischen dem wenige Jahrzehnte alten Erdfallsee und dem mindestens 1000 Jahre alten Großen Heiligen Meer zeigen. In beiden Fällen bildete sich die schüsselförmige Vertiefung in direktem Kontakt zu einem bereits vorhandenen Flachsee bzw. einer vermoorten Niederung, so dass heute an das tiefe Seebecken eine flache Zone angrenzt, die im Großen Heiligen Meer weitgehend mit Röhricht bewachsen ist. Aus der großen Ähnlichkeit kann auf die gleiche Art der Entstehung geschlossen werden. Vor mehr als 1000 Jahren ist demnach auch das Große Heilige Meer durch einen Erdfall entstanden, der vermutlich einen Durchmesser von 200 – 230 Meter hatte (Erdfallsee: 110-115 m Durchmesser).
Eine Untersuchung der Umgebung des Erdfallsees und des Großen Heiligen Meeres erfasste weitere 60 Senkungsformen, die aber eine geringere Tiefe aufwiesen, z.T. nur sehr flach und im Gelände schwierig erkennbar sind (Lotze 1956). Diese Senkungen liegen in einem 4,5 km langen und 1,5 km breiten Streifen, der sich in Südwest-Nordost-Richtung erstreckt.
Die Erklärung für die Entstehung dieser Senkungsformen liegt im besonderen Aufbau des geologischen Untergrundes. LOTZE (1956) entwickelte ein Modell des geologischen Baus, doch haben spätere Untersuchungen ein modifiziertes Bild geliefert.
Über das Alter des Großen Heiligen Meeres geben die pollenanalytischen, vergleichend-vegetationskundlichen und siedlungsgeschichtlichen Untersuchungen von SCHROEDER (1957) und BARTH (2002) Hinweise. Nach der Häufigkeitsverteilung der Buchen- und Haselpollen im Sediment des Großen Heiligen Meeres ist das Gewässer frühestens um 600 v. Chr. entstanden. Da das Große Heilige Meer erstmalig 965 n. Chr. urkundlich erwähnt wurde, muss der Zeitpunkt des Erdfalls also zwischen 600 v. Chr. und 900 n. Chr. liegen. Einige Anzeichen, vor allem die Häufigkeitsverteilung der Getreidepollen im Sediment deuten darauf hin, dass dieses Gewässer zwischen 400 und 900 n.Chr. entstanden sein könnte.
Der Erdfallsee im Jahr 1913. Foto: Archiv im LWL-Museum für Naturkunde, Münster